Diebstahl aus der Kasse: Ein unterschätztes Risiko in der Gastronomie

Ein unterschätztes Risiko in der Gastronomie
Ein Rechenbeispiel: 50 € / Tag × 6 Tage × 52 Wochen = 15.600 € jährlich.
Und das ist nur ein Beispiel bei kleinen Beträgen. Wenn gezielt manipuliert wird, kann der Verlust deutlich höher liegen.
Mitarbeiterdiebstahl: Die Verluste durch interne Delikte – von kleinen „Mitnahmen“ bis hin zu systematischem Griff in die Kasse – summieren sich laut Branchenexperten auf Millionenbeträge jährlich. Besonders betroffen sind kleinere Betriebe, bei denen oft Barzahlung die Regel ist und Kontrollmechanismen fehlen.
Warum Imbisse besonders gefährdet sind
Der typische Imbissbetrieb ist klein, schnell getaktet und stark vom Vertrauen innerhalb des Teams abhängig. Die Geschäftsführung steht häufig selbst in der Küche oder am Grill, während ein oder zwei Angestellte Kasse, Kundschaft und Lieferung gleichzeitig managen. Die Verantwortung ist groß – die Kontrolle oft gering.
Einige typische Schwachstellen:
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Offene Kassen ohne Protokollierung oder Kassensysteme
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Keine Videoüberwachung, aus Datenschutz- oder Kostengründen
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Hoher Bargeldanteil, kaum Kartenzahlung
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Keine schriftlichen Abläufe oder Schichtübergaben
Hinzu kommt: Viele Betriebe arbeiten nicht vollständig steuerlich transparent – etwa um Steuerlast oder Abgaben zu minimieren. Diese Praxis macht es nicht nur schwerer, Diebstähle nachzuweisen, sondern senkt auch die Hemmschwelle: Wo Graubereiche toleriert werden, werden sie auch ausgenutzt.
Wenn das Personal zur Schwachstelle wird
Nicht selten kommt der Diebstahl aus dem engsten Umfeld: langjährige Mitarbeiter oder Aushilfen, die sich ein zweites Standbein geschaffen haben – mit der Kasse des Chefs. Die Methoden sind dabei vielfältig:
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Barzahlung einstecken, ohne Bon
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Getränke oder Beilagen „nebenbei“ verkaufen
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Rabatte ohne Berechtigung
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Späteres Abkassieren bei Selbstbedienung
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Falsche Eintragungen in Lieferlisten
Das Problem ist oft: Es bleibt lange unbemerkt. Oder es wird bewusst ignoriert – aus Angst vor Konflikten, Personalengpässen oder rechtlichen Unsicherheiten. Viele Betreiber vermuten zwar, dass etwas nicht stimmt, aber sie können es nicht beweisen.
Die Verantwortung liegt nicht nur beim Personal
Zahlreiche Betreiber machen es ihren Mitarbeitenden zu leicht. Wer keine digitale Kasse nutzt, keine Schichtprotokolle führt, keine Inventuren macht und keine Belege prüft, darf sich über Verluste kaum wundern. Besonders problematisch: Wenn Bargeld am Kartenterminal vorbei kassiert wird, um Umsätze am Finanzamt vorbeizuschleusen – öffnet das Tür und Tor für eigene Mitarbeiter, sich ebenfalls an der Intransparenz zu bedienen.
Gerade in Dönerläden oder Asia-Imbissen sind diese Praktiken keine Ausnahme. Wer keine Nachvollziehbarkeit schafft, verliert nicht nur Geld, sondern auch Kontrolle, Reputation und Vertrauen.
Schadenshöhe und Dunkelziffer
Genaue Zahlen gibt es kaum. Die Dunkelziffer ist hoch, und viele Vorfälle werden nicht gemeldet. Die Industriegewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schätzt den jährlichen Schaden durch Mitarbeiterdiebstahl in der Gastronomie auf mehrere Hundert Millionen Euro. In einem durchschnittlichen Imbissbetrieb können schon 50 € am Tag – unbemerkt – über Wochen und Monate hohe Verluste bedeuten.

Wie man sich schützt – ohne Misstrauenskultur
Die gute Nachricht: Es gibt praktikable Lösungen. Dabei geht es nicht darum, alle Mitarbeiter zu verdächtigen – sondern um klare Strukturen und faires Risikomanagement.
1. Kasse digitalisieren
Moderne Kassensysteme (GoBD-konform) erfassen alle Umsätze. Sie ermöglichen Berichte, Differenzanalysen und können mit dem Finanzamt verknüpft werden. Damit reduzieren sich nicht nur die Risiken, sondern auch der Verdacht auf Schwarzgeld.
2. Kartenzahlung fördern
Wer keine Kartenzahlung erlaubt, weil er „keine Gebühren zahlen will“, lädt indirekt zum Betrug ein. Der Anteil an Bargeldtransaktionen sinkt Jahr für Jahr – wer hier nicht mitzieht, verliert nicht nur Kunden, sondern auch Kontrolle.
3. Schichtübergaben dokumentieren
Wer hat wie viel kassiert, wann wurde der Wechsel durchgeführt, wie viel Wechselgeld war in der Kasse? Schriftliche Übergaben mit Gegenzeichnung sind ein einfacher, aber wirkungsvoller Schutz.
4. Mitarbeiterauswahl und Schulung
Vertrauen ist gut – aber Schulung ist besser. Neue Mitarbeiter sollten über Konsequenzen und Erwartungen aufgeklärt werden. Wer sich gesehen und ernst genommen fühlt, hat weniger Gründe, illoyal zu handeln.
5. Kameraüberwachung dort, wo erlaubt
Kameras am Kassenplatz sind in Deutschland erlaubt – wenn ein klarer Hinweis erfolgt und keine sensiblen Bereiche (z. B. Pausenräume) gefilmt werden. Das wirkt oft schon präventiv.
6. Regelmäßige Inventuren
Insbesondere bei Getränken, Tabak und verderblicher Ware lohnt sich eine turnusmäßige Bestandsaufnahme. Große Abweichungen deuten auf Schwund – oder Betrug.
Rechtliche Konsequenzen und Grenzen
Mitarbeiterdiebstahl kann fristlose Kündigung, Strafanzeige und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Allerdings ist der Nachweis oft schwierig – und arbeitsrechtlich sensibel. Ohne eindeutige Beweise (Video, Zeugenaussagen, schriftliche Protokolle) droht der Schuss nach hinten loszugehen.
Deshalb gilt: Prävention vor Eskalation.
Kontrolle ist kein Misstrauen – sondern Verantwortung
Imbissbetriebe sind oft familiär geführt, geprägt von engem Kontakt zum Team. Gerade deswegen ist es wichtig, klare Abläufe und Transparenz zu schaffen. Die Verantwortung liegt nicht nur bei den Mitarbeitenden – sondern vor allem bei den Betreibern.
Wer dauerhaft erfolgreich sein will, braucht mehr als gutes Essen. Er braucht Vertrauen – aber mit System. Denn wo das Geld wortwörtlich auf dem Tisch liegt, darf man nicht hoffen, dass niemand zugreift. Man muss sicherstellen, dass es nicht möglich ist.
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