Aşure: Ein Gericht als Spiegel gesellschaftlicher Vielfalt

Ursprung und Legenden
Aşure ist eines der ältesten und symbolträchtigsten Gerichte der türkischen Küche. Seine Ursprünge reichen weit zurück und sind eng mit der Legende um Noahs Arche verbunden. Nach der Sintflut, so erzählt es die Überlieferung, sammelten die Überlebenden der Arche die letzten Vorräte und bereiteten daraus eine Speise zu, die aus verschiedenen Getreiden, Hülsenfrüchten, Trockenfrüchten und Nüssen bestand. Diese Mischung wurde zum Urbild von Aşure.
Religiöse und kulturelle Bedeutung
Der Name Aşure leitet sich vom arabischen „ʿāshūrāʾ“ ab und verweist auf den zehnten Tag des islamischen Monats Muharram. In der sunnitischen Tradition steht dieser Tag für Dankbarkeit und das Überleben Noahs. Für Schiiten ist es ein Tag der Trauer um das Martyrium von Husain ibn Ali. Im alevitischen Kulturkreis markiert der Tag das Ende einer zwölftägigen Fastenzeit, die mit der Zubereitung und Verteilung von Aşure abgeschlossen wird. Trotz unterschiedlicher religiöser Kontexte bleibt das verbindende Element das Teilen: Aşure wird stets in großen Mengen gekocht und an Nachbarn, Freunde und Bedürftige verteilt.
Gesellschaftliches Ritual
Aşure ist mehr als ein saisonales Gericht. Es ist ein soziales Ritual, das in vielen türkischen Familien und Nachbarschaften fest verankert ist. Die Zubereitung ist aufwendig und erfordert Planung, Geduld und Sorgfalt. Die Zutaten werden oft schon am Vortag eingeweicht und vorbereitet. Das Teilen der fertigen Speise ist ein Akt der Gemeinschaft und Solidarität, der unabhängig von Herkunft, Religion oder sozialem Status praktiziert wird.
Symbolik der Zutaten
Die Zutatenliste für Aşure ist lang und variiert regional sowie von Familie zu Familie. Typisch sind geschälter Weizen, weiße Bohnen, Kichererbsen, getrocknete Aprikosen, Feigen, Rosinen, Walnüsse, Haselnüsse, Granatapfelkerne, Nelken und Orangenschale. Jede Zutat bleibt in der fertigen Speise erkennbar – ein kulinarisches Sinnbild für eine Gesellschaft, in der Vielfalt nicht nivelliert, sondern wertgeschätzt wird.

Heute findet man Aşure nicht nur in privaten Haushalten, sondern auch in modernen Restaurants und Cafés, oft kreativ interpretiert. Unabhängig von der Präsentation bleibt das Grundprinzip erhalten: Aşure steht für das Teilen und für die Anerkennung von Vielfalt. In vielen Familien ist die Zubereitung nach wie vor ein jährliches Ritual, das Generationen verbindet und Tradition lebendig hält.
Rezept: Klassisches Aşure (vegan)
Zutaten für ca. 10 Portionen:
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2 Tassen geschälter Weizen
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1/2 Tasse getrocknete Kichererbsen
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1/2 Tasse getrocknete weiße Bohnen
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1/2 Tasse getrocknete Aprikosen (klein geschnitten)
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1/2 Tasse getrocknete Feigen (klein geschnitten)
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1/2 Tasse Rosinen
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1,5 bis 2 Tassen Zucker (nach Geschmack)
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4–5 Nelken
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1 kleine unbehandelte Orangenschale (in feinen Streifen)
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Optional: 1 TL Rosenwasser, 1 EL Honig oder Traubensirup
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Walnüsse, Granatapfelkerne, Zimt, Haselnüsse, Kokosraspel, Pinienkerne zum Garnieren
Zubereitung:
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Weizen, Bohnen und Kichererbsen am Vortag getrennt in Wasser einweichen (mindestens 12 Stunden).
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Weizen in ca. 2 Liter Wasser etwa 45 Minuten weich kochen.
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Kichererbsen und Bohnen separat garen (je 30–40 Minuten), abgießen.
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Alles zusammen in einen großen Topf geben, 1–1,5 Liter heißes Wasser hinzufügen.
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Trockenfrüchte, Orangenschale und Nelken dazugeben.
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Zucker einrühren, aufkochen und bei mittlerer Hitze 20–30 Minuten köcheln lassen, gelegentlich umrühren.
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Nach Wunsch Rosenwasser oder Honig unterrühren. Die Masse sollte sämig, aber nicht zu fest sein.
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In Schalen füllen, abkühlen lassen und mit Toppings garnieren.
Aşure vereint Vergangenheit und Gegenwart, Religion und Alltag, Vielfalt und Gemeinschaft in einem Topf. Wer es zubereitet und teilt, bewahrt nicht nur eine kulinarische Tradition, sondern setzt auch ein Zeichen für Offenheit und Miteinander. Guten Appetit.
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