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Ausländer nicht Willkommen: Auch der deutsche ist Außländer - überall!

Der Ruf „Deutsche raus!“ ist ein Spiegel. Er zeigt, wie verletzend Ausgrenzung ist

„Deutsche raus!“ – Was Mallorca den Deutschen über Ausgrenzung lehrt

Mallorca, Sommer 2025. Der Sommer hat kaum begonnen, doch die Stimmung auf der Insel ist angespannt. Die ersten Flüge aus Hannover, Düsseldorf und Frankfurt landen bereits früh am Morgen. Sonnenbrillen, Flip-Flops, die weißen Tennissocken, Trinkspiele im Gepäck. An der Playa de Palma sitzen Gruppen junger Männer im Kreis, grölen Partyschlager, der erste Sangria fließt noch vor dem Frühstück. Wenige Meter weiter hängen an Hausfassaden Transparente mit klaren Botschaften: „Tourists go home“. „Deutsche raus“. Die Diskrepanz zwischen dem Verhalten der Gäste und der Realität der Einheimischen ist nicht mehr zu übersehen. Was jahrzehntelang als tolerierter Exzess galt, wird nun als Grenzüberschreitung wahrgenommen – und offen verurteilt.

Eine Insel am Limit

Die Bevölkerung Mallorcas hat sich verändert, nicht nur demografisch, sondern auch in ihrer Haltung gegenüber dem Massentourismus. Mehr als 14 Millionen Touristen kamen 2023 auf die Insel, etwa 4 Millionen davon aus Deutschland. Bei einer Einwohnerzahl von rund 950.000 bedeutet das: Mallorca ist neun Monate im Jahr in den Ausnahmezustand versetzt. Wohnraum wird knapp, denn mehr als 100.000 Wohnungen sind inzwischen als Ferienunterkünfte registriert – legal oder illegal. In Städten wie Palma haben sich die Mietpreise in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Wer nicht im Tourismus arbeitet, kann sich das Leben in der Innenstadt kaum noch leisten.

Zugleich leidet die Infrastruktur. Wassermangel, überlastete Krankenhäuser, überfüllte Straßen und Müllberge gehören längst zur Nebensaison. In diesem Kontext erscheinen grölende, besoffene, halbnackte Männergruppen, die sich am Ballermann benehmen wie in einem rechtsfreien Raum, nicht mehr wie harmlose Touristen, sondern wie ein Angriff auf die Würde der Insel.

Der Kipppunkt: Vom Lächeln zur Ablehnung

Lange Zeit lebten viele Mallorquiner mit dem Spagat: Einerseits sich über die touristischen Einnahmen zu freuen, andererseits still das Gefühl der Überfremdung zu ertragen. Doch 2025 ist dieser Spagat zerbrochen. Die neue Offenheit, mit der nun Ablehnung formuliert wird, ist keine plötzliche Wut, sondern die Folge einer jahrzehntelangen Überforderung. Demonstrationen, politische Debatten und die Zunahme restriktiver Regelungen – von Alkoholverboten bis zu strengen Lärmauflagen – zeigen: Die Insel beginnt, sich zu wehren.

Diese Ablehnung richtet sich nicht ausschließlich gegen Deutsche, aber sehr gezielt gegen einen bestimmten Typus: der respektlose Tourist, der sich für alles berechtigt hält. Besonders auffällig: Laut offiziellen Zahlen stammen mehr als 60 Prozent der Polizeieinsätze im Bereich der Playa de Palma im Sommer 2024 von Delikten, an denen deutsche Urlauber beteiligt waren – von Trunkenheit über Vandalismus bis zu sexueller Belästigung. Die Klischees sind nicht übertrieben. Sie sind vielfach dokumentiert.

Deutsche Ausländer – und als Projektionsfläche

Was für viele Deutsche wie ein Affront wirkt, ist für viele Mallorquiner schlicht eine logische Konsequenz. Die Parole „Deutsche raus“ ist keine rassistische Entgleisung, sondern eine kulturelle Abgrenzung – vergleichbar mit dem, was in Deutschland seit Jahren von Rechtsaußen propagiert wird. Und genau hier beginnt der eigentliche Kern der Debatte: Die Ablehnung trifft jene, die sich selbst nie als Teil des Problems gesehen haben. Der Tourist, der zuhause über „Überfremdung“ klagt, wird selbst zur Projektionsfläche. Nicht mehr der Gastgeber, sondern der Störfaktor. Nicht mehr globaler Bürger, sondern lokaler Fremdkörper.

Diese Umkehr der Perspektive ist schmerzhaft – und gleichzeitig lehrreich. Sie zeigt, wie instabil Zugehörigkeit ist, wie schnell Privilegien verblassen, wenn man sich nicht wie ein Gast, sondern wie ein Besatzer verhält. Sie entlarvt das moralische Ungleichgewicht einer Gesellschaft, die Toleranz oft nur für sich selbst beansprucht.

Rassismus ist keine Option - Mallorca zeigt, wie verletzend Ausgrenzung sein kann – und wie schnell sich die Rollen verschieben. Wer heute Gast ist, kann morgen selbst zum Fremden werden.

Der nationale Reflex – und seine internationale Konsequenz

Was in Deutschland mit Parolen wie „Remigration jetzt“ oder „Deutschland den Deutschen“ Stimmung macht, bekommt nun einen Widerhall im Ausland – mit umgekehrtem Vorzeichen. Nationalismus funktioniert nicht selektiv. Wer Grenzen fordert, bekommt sie – auch dort, wo er sie selbst nicht erwartet. Die Idee, man könne anderen den Zugang verwehren, sich aber selbst überall frei bewegen, zerbricht an der Realität.

Mallorca zeigt: Wer sich abschottet, wird irgendwann auch ausgeschlossen. Die Freiheit, zu reisen, endet dort, wo man beginnt, andere ihrer Lebensqualität zu berauben. Wer als Tourist nicht bereit ist, sich anzupassen, sollte sich nicht wundern, wenn man ihn nicht mehr sehen will.

Gastronomie, Politik, Gesellschaft: Die Insel zieht Konsequenzen

Die Reaktion auf der Insel ist inzwischen systematisch. Die Gastronomie, jahrzehntelang geduldig bis zur Selbstaufgabe, zieht klare Grenzen. Immer mehr Lokale schließen in der Hochsaison früher, verweigern den Ausschank von Alkohol an größere Gruppen oder nehmen gar keine Reservierungen mehr von „Partyurlaubern“ an. Stattdessen fördern sie Events mit lokaler Musik, stellen mallorquinische Küche und Kultur ins Zentrum. Nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung: Wer nur zum Trinken kommt, soll nicht bleiben.

Auch politisch gibt es Veränderungen. Die Balearen-Regierung verschärft die Ferienwohnungs-Regulierung, zieht Genehmigungen zurück und erhöht die Touristensteuer deutlich. Eine neue Umweltverordnung begrenzt den Wasserverbrauch von Hotels und verpflichtet sie zu transparentem Umgang mit Ressourcen. Der Druck kommt nicht mehr nur von der Straße, sondern auch von Institutionen, die erkannt haben: Die Zukunft der Insel liegt nicht in der Quantität, sondern in der Qualität des Tourismus.

Ein Weckruf für deutsche Selbstgerechtigkeit

Der Fall Mallorca ist ein Lehrstück. Er zwingt zur Selbstreflexion – nicht nur für einzelne Reisende, sondern für eine ganze Gesellschaft, die ihre privilegierte Stellung in der Welt lange als selbstverständlich betrachtet hat. Die Ablehnung der Deutschen ist keine Laune, sondern eine Reaktion. Kein Hass, sondern ein Spiegel. Ein Spiegel, der zeigt, wie dünn die Decke der Willkommenskultur ist – wenn sie nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

Statt sich über die Ablehnung zu empören, wäre es sinnvoller, die Rolle zu hinterfragen, die man als deutscher Tourist im Ausland spielt. Ob auf Mallorca, in Portugal, Thailand oder Italien: Wer sich benimmt wie ein Kolonialherr, wird irgendwann behandelt wie einer. Wer sich aufführt, als gehöre ihm der Ort, wird vom Ort irgendwann abgestoßen.

Vom Tourismus zur Verantwortung

Es geht nicht darum, Reisen zu verteufeln. Im Gegenteil: Tourismus kann bereichern – ökonomisch, kulturell, menschlich. Aber nur, wenn er von Respekt getragen wird. Wer reist, trägt Verantwortung. Für das Bild, das er hinterlässt. Für die Menschen, denen er begegnet. Für das Klima, das er beeinflusst.

Der Sommer 2025 könnte ein Wendepunkt sein – wenn er als das begriffen wird, was er ist: ein Warnsignal. Mallorca wehrt sich nicht gegen Deutsche. Es wehrt sich gegen Ignoranz. Gegen die Entmenschlichung durch Massenbetrieb. Gegen eine Haltung, die Gastfreundschaft mit Selbstaufgabe verwechselt.

Nicht willkommen zu sein, ist eine Erfahrung – und eine Mahnung

Mallorca zeigt der deutschen Gesellschaft, wie sich Ausgrenzung anfühlt. Und das ist gut so. Denn nur wer selbst Ablehnung erlebt, kann wirklich verstehen, wie zerstörerisch sie ist. Wer sich in Deutschland für Abschiebung, Grenzschließung und nationale Abschottung stark macht, sollte diesen Sommer ernst nehmen. Nicht als Beleidigung, sondern als Lektion.

Es geht um mehr als Partyverbot und Zimmerpreise. Es geht um das Prinzip der Gegenseitigkeit. Um ein Europa, in dem man nicht nur Rechte konsumiert, sondern Pflichten lebt. Um die Erkenntnis, dass Freiheit nur dort besteht, wo sie für alle gilt – nicht nur für jene mit deutschem Pass.

Wer dazugehören will, muss lernen, sich zu benehmen. Und wer Respekt fordert, muss ihn auch geben.