Zum Hauptinhalt springen

Was dürfen wir eigentlich noch essen? – Die große Verunsicherung durch widersprüchliche Ernährungstipps

 Reis – Vom Getreide der Götter zum globalen Kulturkorn

Ein Tag ohne neue Ernährungstipps ist ein seltener Tag. Mal sind Eier gesund, dann wieder gefährlich. Fett war lange der Feind, jetzt sind es die Kohlenhydrate. Zucker? Mal Gift, mal nur in Maßen problematisch. Die Informationsflut über gesunde Ernährung ist gewaltig – und oft widersprüchlich. Verbraucher fühlen sich zunehmend überfordert. Wem soll man noch glauben?

Wissenschaft oder Marketing? Warum wir niemandem mehr trauen

Die Ursache dieser Verwirrung liegt nicht nur in der sich ständig weiterentwickelnden Wissenschaft, sondern auch in wirtschaftlichen Interessen. Ernährungsexperte Uwe Knop kritisiert, dass viele Ernährungsstudien auf fragwürdigen Daten basieren. Methoden wie Umfragen, die auf Selbstauskünften beruhen, sind unzuverlässig – trotzdem werden daraus oft weitreichende Empfehlungen abgeleitet.

Noch problematischer: Die Lebensmittelindustrie hat ein starkes Interesse daran, wissenschaftliche Erkenntnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Zuckerindustrie etwa hat in der Vergangenheit Studien finanziert, um den Fokus auf Fette als Hauptursache für Übergewicht und Herzkrankheiten zu lenken – mit Erfolg. Jahrzehntelang galt Fett als der Schuldige, während Zucker als harmloser Energielieferant verharmlost wurde. Heute wissen wir es besser, aber das Vertrauen in offizielle Ernährungsempfehlungen ist nachhaltig beschädigt.

Warum sich Ernährungsempfehlungen ständig ändern – und uns das frustriert

Es gibt kaum ein anderes Thema, bei dem sich Ratschläge so häufig ändern wie bei der Ernährung. Ein gutes Beispiel sind Eier: In den 90er-Jahren wurde gewarnt, dass sie den Cholesterinspiegel gefährlich erhöhen. Heute heißt es, dass Cholesterin aus der Nahrung nur einen geringen Einfluss hat und Eier ein wertvolles Nahrungsmittel sind.

Solche Kehrtwenden haben Konsequenzen. Die Menschen wissen nicht mehr, welche Empfehlungen seriös sind. Die Chemikerin Dietlind Hanrieder bringt es auf den Punkt: „Die gesicherten Erkenntnisse von heute sind die Irrtümer von morgen.“

Die Zuckerindustrie etwa hat in der Vergangenheit Studien finanziert, um den Fokus auf Fette als Hauptursache für Übergewicht und Herzkrankheiten zu lenken – mit Erfolg.

Warum wir Ratschläge nicht hören wollen

Nicht nur die Wissenschaft und die Industrie tragen zur Verwirrung bei. Die Essenssoziologin Tina Bartelmeß erklärt, dass unsere Essgewohnheiten eng mit unserem sozialen Umfeld verbunden sind. Deshalb reagieren viele Menschen empfindlich auf Ernährungsempfehlungen – sie empfinden sie als Eingriff in ihren Lebensstil.

Der Wissenschaftsjournalist David Robson ergänzt, dass ungefragte Ratschläge oft Widerstand statt Veränderung bewirken. Wer sein ganzes Leben lang Nudeln, Brot und Kartoffeln gegessen hat, wird sich nicht plötzlich von Low-Carb-Studien überzeugen lassen – vor allem, wenn diese sich möglicherweise in ein paar Jahren als falsch herausstellen.

Die Lösung? Mehr Intuition, weniger Dogma

Angesichts der Verwirrung und Widersprüche scheint es unmöglich, allgemeingültige Ernährungsempfehlungen zu finden. Zwei US-amerikanische Ernährungswissenschaftlerinnen entwickelten daher vor fast 30 Jahren das Konzept des „intuitiven Essens“. Die Idee: Essen, worauf man Lust hat, ohne sich an strenge Regeln zu halten.

Doch auch dieser Ansatz ist nicht unumstritten. Kritiker warnen, dass sich viele Menschen instinktiv für ungesunde Lebensmittel entscheiden – nicht zuletzt, weil die Lebensmittelindustrie unsere Sinne mit Pseudo-Genussprodukten manipuliert.

Was tun?

Die Doku "Was dürfen wir eigentlich noch essen?" zeigt eindrucksvoll, warum uns Ernährungsempfehlungen oft mehr verwirren als helfen. Zu viele Faktoren – Wissenschaft, Industrie, persönliche Gewohnheiten – beeinflussen, was wir für „gesund“ halten. Die beste Strategie bleibt: Skepsis gegenüber schnellen Trends, kritisches Hinterfragen und das Bewusstsein, dass es keine universelle perfekte Ernährung gibt.

Die vollständige Dokumentation ist bis zum 1. Februar 2028 in der ARTE-Mediathek verfügbar: Was dürfen wir eigentlich noch essen? – ARTE