Illegale Schlachtung in Berlin wirft Fragen auf – über Regeln, Herkunft, Konsum und Respekt

Berlin, Juni 2025. Ein Nachbar ruft die Polizei – und die Szene, die sich vor Ort bietet, sorgt selbst bei erfahrenen Beamten für Entsetzen:
In einer normalen Berliner Mietwohnung im Stadtteil Köpenick liegen zwei tote Schafe. Ein drittes, noch lebendig, schwer verletzt, kauert im Badezimmer. Überall Blutspuren, Schlachtwerkzeuge, improvisierte Behälter für Innereien. Kein Kühlraum. Kein Betäubungsgerät. Kein Tierarzt. Nur ein 41-jähriger Mann, der erklärt, er habe die Tiere „für den Eigenbedarf“ geschlachtet.
Dass es sich bei den Tieren um Schafe aus dem Landschaftspark Herzberge in Lichtenberg handelt, macht den Fall zusätzlich brisant. Die Tiere wurden nachts von dort entwendet, offenbar gezielt. Ob aus religiösen Gründen – etwa für das islamische Opferfest Bayram – oder mit Verkaufsabsicht, ist bislang nicht abschließend geklärt. Ein dritter Beteiligter konnte fliehen, ein vierter wird gesucht.
Die Polizei spricht bereits von einem gravierenden Fall von Tierquälerei und Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Ermittlungen laufen wegen Diebstahl, Hausfriedensbruch und illegaler Schlachtung. Das überlebende Tier wurde in eine Tierklinik gebracht, die beiden toten Schafe mussten sichergestellt werden.
Die Fakten sind klar – der Kontext ist es nicht
In Deutschland ist die private Schlachtung von Tieren streng geregelt. Wer ein Tier zur Fleischgewinnung töten will, braucht Schulungen, Genehmigungen, eine geeignete Infrastruktur – und muss das Tier betäuben. Für Nutztiere gilt das noch strikter. Ein Wohnzimmer gehört definitiv nicht zu den erlaubten Schlachtstätten.
Dass der mutmaßliche Täter von „Eigenbedarf“ spricht, halten viele Experten für zweifelhaft. Drei ganze Schafe, geschlachtet ohne jede hygienische Kontrolle – das klingt eher nach Vorbereitung auf Verkauf. Zumal das Fleisch bei religiösen Anlässen wie Bayram gefragt ist und gute Preise erzielen kann, besonders im Direktvertrieb über Familien oder Nachbarschaften.
Der Vorfall trifft einen gesellschaftlich sensiblen Nerv. Einerseits, weil religiöse Bräuche schnell instrumentalisiert werden. Andererseits, weil sich viele fragen: Wieso kommt jemand auf die Idee, mitten in Berlin Tiere zu stehlen und in einer Wohnung zu schlachten – statt in den Supermarkt oder zur halal-zertifizierten Fleischerei zu gehen?
Wie viel Kultur verträgt das Gesetz?
Fälle wie dieser werden oft vorschnell in eine Schublade gesteckt: „Importierte Probleme“, „Parallelgesellschaft“, „fremde Traditionen“. Doch so einfach ist es nicht. In vielen Ländern gehört Hausschlachtung zur ländlichen Lebensrealität. Auch in Deutschland war sie früher auf dem Bauernhof gang und gäbe. Der Unterschied: Heute gelten Tierschutz, Lebensmittelhygiene und Rückverfolgbarkeit – zu Recht.
Religiöse Traditionen wie das islamische Opferfest sind erlaubt. Sie müssen aber gesetzeskonform durchgeführt werden – in registrierten Schlachthöfen, mit Aufsicht. Es gibt in vielen Städten spezielle Einrichtungen, die dafür bereitstehen. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur eine Anzeige, sondern auch, dass das ganze Thema unnötig eskaliert – in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Medien.
Der Fall Köpenick ist also kein Beleg für „fremde Kultur“, sondern ein Beispiel für kriminelles Verhalten, das kulturelle Schutzbehauptungen benutzt. Und er erinnert daran, dass auch Lebensmittelkultur Verantwortung braucht – gegenüber Tieren, Nachbarn, Gesetzen und der Gesellschaft.

Lebensmittel sind kein rechtsfreier Raum
Viele vergessen, dass hinter dem Stück Fleisch auf dem Teller ein komplexer, streng regulierter Prozess steht. In Deutschland dürfen nur ausgebildete Fachkräfte Tiere schlachten, meist unter Aufsicht von Tierärzt:innen. Hygienevorschriften, Kühlung, Dokumentation – alles ist vorgeschrieben. Und das aus gutem Grund: Um Tierleid zu vermeiden und Gesundheitsgefahren zu minimieren.
Wenn Menschen eigenmächtig Tiere töten, ohne Kenntnisse, ohne Kontrolle, dann gefährden sie nicht nur das Tierwohl, sondern auch sich selbst und ihre Mitmenschen. Krankheiten wie Toxoplasmose, Campylobacter oder Salmonellen sind reale Risiken – vor allem, wenn Fleisch ohne Kühlung verarbeitet und verzehrt wird.
Wer das billigend in Kauf nimmt, handelt nicht aus „Tradition“, sondern aus Ignoranz oder Kalkül.
Warum der Fall alle betrifft
Die Schafe, die hier zum Opfer wurden, waren nicht auf einem Bauernhof eingesperrt, sondern Teil eines öffentlichen Projekts: einer ökologischen Beweidung im Landschaftspark Lichtenberg. Sie sollten die Stadt grüner machen, Flächen pflegen, Biodiversität fördern – und dabei von Berliner:innen bewundert werden. Dass sie gestohlen und getötet wurden, trifft damit auch die Öffentlichkeit. Es geht nicht nur um Fleisch – sondern um Vertrauen.
Hinzu kommt: Solche Fälle spielen Verschwörungstheoretikern, Populisten und Hetzern in die Hände. Wenn Gesetzesverstöße mit „Kultur“ entschuldigt werden, wird das Klima im Land rauer. Der Fall zeigt: Integration heißt auch, Regeln zu verstehen – und einzuhalten.
Kein Fall für politische Hetze: Sachlichkeit statt Pauschalurteile
Dass solche Vorfälle wie die Schlachtung der Schafe in einer Berliner Wohnung sofort von rechten Gruppierungen instrumentalisiert werden, ist klar. Schnell ertönt der Ruf nach pauschaler Verurteilung ganzer Bevölkerungsgruppen und es wird aus einem Einzelfall eine angebliche „Bedrohung unserer Kultur“ konstruiert.
Der Fall in Köpenick ist in erster Linie ein Verstoß gegen geltendes Recht und Tierschutz – kein Beweis für eine angebliche „Parallelgesellschaft“ oder „Migrantenproblematik“.
Unser Fokus sollte auf Fakten, Aufklärung und der Durchsetzung von Gesetzen liegen, nicht auf vereinfachenden Schuldzuweisungen. Nur so bewahren wir einen respektvollen Umgang miteinander und können gemeinsam Lösungen finden.
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