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True Italian Pizza Week: Ein Liebesbrief an den Teig

True Italian Pizza Week: Ein Liebesbrief an den Teig

Hamburg im September riecht anders. Zwischen Hafenluft, Schietwetter und dem ewigen Duft nach Kaffee aus viel zu stylischen Röstereien mischt sich plötzlich etwas, das nach Süden klingt. Holzrauch, Basilikum, geschmolzener Mozzarella. Und plötzlich hat die Hansestadt für eine Woche lang das Gefühl, Neapel an die Elbe verlegt zu haben. Die True Italian Pizza Week ist wieder da – und mit ihr ein Versprechen: Zwei eigens kreierte Pizzen, ein Aperol Spritz oder Crodino, ein Preis, der mehr nach Studenten-WG als nach Gourmetmenü klingt. Fünfzehn Euro. Dafür ein Ticket ins Glück.

Es wirkt fast zu einfach. Aber genau darin liegt die Magie. Keine elitäre Food-Orgie, kein elfenbeinernes Fine Dining mit Schaumsößchen auf Tellern so groß wie LP-Cover. Sondern Pizza. Das Brot der Straße, das Feuer der Öfen, die Kunst einer Kultur, die seit Jahrhunderten weiß, wie aus Mehl, Wasser und ein paar Tomaten eine Religion entsteht.

Ein Festival der Ofentüren

Die Hamburger Gastro-Szene liebt Superlative. Hier ein Street-Food-Market, dort eine Craft-Beer-Convention, und irgendwo quetscht sich ein Gin-Festival dazwischen. Doch wenn 28 Pizzerien gleichzeitig die Ofentüren aufreißen, um gemeinsam statt gegeneinander zu servieren, dann passiert etwas Seltenes: Ein Festival, das kein Wettbewerb ist, sondern eine Liebeserklärung.

In St. Georg knistert der Holzofen von Pizza Puro, während zwei Straßen weiter im Barefood Deli die ersten Teller klirren. In Ottensen stapeln sich die Aperol-Gläser auf den Terrassen, und selbst die Touristen auf der Reeperbahn stolpern plötzlich in eine neapolitanische Versuchung, die mehr mit Italien zu tun hat als mit „Bella Ciao“ auf Ballermann-Niveau.

Die Idee dahinter: jeder Laden kreiert zwei besondere Sorten – oft fernab vom Klassiker Margherita, ohne aber je den Boden unter den Füßen zu verlieren. Mal landet Burrata neben Pistazienpesto auf der Teigscheibe, mal sorgt Fenchelsalami für einen herben Ton. Immer aber schwebt die Frage über den Tellern: Was ist „echt“ italienisch? Und gibt es das überhaupt, wenn jede Stadt, jedes Dorf, jede Nonna ihr eigenes Rezept hütet wie ein Staatsgeheimnis?

Pizza als Identität

Die UNESCO hat die neapolitanische Pizzakunst 2017 zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Und doch bleibt Pizza alles andere als museal. Sie lebt, verändert sich, rebelliert. In Hamburg trifft sie auf eine Stadt, die selbst ständig nach Identität sucht. Zwischen hanseatischer Zurückhaltung und Weltoffenheit, zwischen Elbphilharmonie-Glanz und Kiez-Schmutz.

Vielleicht passt genau deshalb die Pizza so gut hierher. Sie ist gleichzeitig einfach und komplex, vertraut und exotisch. Man kann sie im Stehen falten und auf dem Bürgersteig verschlingen – oder sie wie ein Kunstwerk zelebrieren, wenn der Teig drei Tage fermentiert und der Mozzarella per Direktimport aus Kampanien eingeflogen wurde.

Während der Pizza Week verschwimmen diese Unterschiede. Die Banker aus der Hafencity sitzen neben Studenten aus Eppendorf, Influencer stoßen mit Familienvätern an. Und plötzlich gibt es etwas, das sie alle eint: die Geste, ein Stück dampfenden Teig vom Teller zu ziehen, den Käsefaden wie einen goldenen Strich in die Nacht zu malen und dabei zu nicken, als hätten sie eine universelle Wahrheit begriffen.

Gespräche am Rand der Tische

„Die Leute kommen nicht nur wegen des Preises“, sagt ein Pizzaiolo, der schon nach den ersten beiden Abenden Ringe unter den Augen trägt. „Sie kommen, weil sie spüren, dass wir das ernst meinen.“ Und man glaubt ihm sofort. Denn wer in dieser Woche durch die Lokale streift, merkt schnell: Das hier ist kein Marketing-Gag, kein Rabatt-Zirkus. Es ist eine Art kulinarisches Volksfest, getragen von Leidenschaft.

Natürlich: Der Aperol Spritz in der Hand hilft. Seine Farbe schreit nach Spätsommer, nach Feierabend, nach „egal, ob’s regnet“. Aber der eigentliche Star bleibt der Teig. Wie er knistert, wenn er aus dem 450-Grad-Ofen gezogen wird. Wie er nachgibt, wenn man hineinbeißt. Wie er den Belägen die Bühne baut und sie gleichzeitig erdet.

Man könnte fast sagen: In dieser Woche wird Hamburg nicht zur „Pizza-Hauptstadt“. Hamburg wird zur Bühne für die Sehnsucht, die jeder von uns kennt – die Sehnsucht nach dem Gefühl, dass alles plötzlich ganz leicht geht.

Von Neapel nach Ottensen, ohne Umsteigen

Die Reise, die man in dieser Woche unternimmt, ist keine Weltreise, sondern eine Stadtrundfahrt. Man steigt nicht ins Flugzeug, sondern in die U-Bahn. Von der Schanze nach Barmbek, von St. Pauli nach Eimsbüttel. Jede Station bringt einen neuen Ofen, eine neue Handschrift. Mal ist der Teig so dünn, dass er fast knistert wie Papier, mal so weich, dass er sich wie ein Kissen anfühlt.

Und doch verbindet alles eine stille Abmachung: Hier wird nicht geschummelt. Kein Tiefkühlboden, kein Käse aus der Plastiktüte. Sondern Handwerk. Authentizität – ein strapazierter Begriff, der hier ausnahmsweise Sinn ergibt.

Am Ende der Woche fühlt man sich, als hätte man Hamburg neu entdeckt. Nicht über die Speicherstadt, nicht über die sündige Meile, sondern über Öfen, die Geschichten erzählen.

Der Blick nach vorn

2025 geht es weiter. Vom 25. September bis 1. Oktober steigt die nächste True Italian Pizza Week, diesmal nicht nur in Berlin, sondern auch wieder in Hamburg. Der Preis klettert leicht auf 16 Euro – aber wen kümmert’s? Für zwei Pizzen und einen Spritz ist das immer noch ein lächerlicher Betrag.

Vielleicht wird das Ganze irgendwann Routine, vielleicht verliert es den Glanz des Besonderen. Doch im Moment fühlt es sich so an, als hätte Hamburg ein Ritual gefunden, das bleiben darf. Eines, das uns jedes Jahr kurz vergessen lässt, dass wir nördlich der Pasta-Alpen wohnen.

Und wenn man dann mit leicht verklebten Fingern durch den Regen nach Hause stolpert, den Aperol noch im Kopf und das Basilikum noch im Mund, dann weiß man: Mehr Italien wird’s hier oben nicht geben. Zumindest nicht für 15 Euro.

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