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Kayseri: Die Hauptstadt des Pastırma

In der türkischen Stadt Kayseri gehört Pastrıma zum Stadtbild wie Minarette und Basare.

In der türkischen Stadt Kayseri gehört Pastırma zum Stadtbild wie Minarette und Basare. In den Metzgereien hängen große, dunkle Fleischstücke nebeneinander, überzogen mit einer matten, rotbraunen Gewürzschicht. Der Geruch ist scharf, würzig, unverkennbar – eine Mischung aus Knoblauch, Paprika, getrocknetem Fleisch und kalter Winterluft. Wer sich fragt, warum in Anatolien ausgerechnet dieses Produkt so geschätzt wird, muss nicht lange suchen: Pastırma ist ein fest verwurzelter Bestandteil der Esskultur.

Das Prinzip ist einfach, das Verfahren präzise. Rindfleisch – meist aus der Oberschale – wird mit grobem Salz eingerieben, für mehrere Tage gelagert, anschließend gewaschen, gepresst und zum Trocknen aufgehängt. Danach kommt çemen ins Spiel: eine Paste aus Bockshornkleesamen, Knoblauch, Paprikapulver, Kreuzkümmel und Öl. Sie versiegelt das Fleisch, schützt es vor Keimen und bringt gleichzeitig das Aroma, das Pastırma so besonders macht.

Der gesamte Prozess dauert mehrere Wochen, oft länger. Der Winter gilt als ideale Zeit für die Herstellung – kühle Luft, wenig Feuchtigkeit, keine Insekten. Genau diese Bedingungen finden sich in Kayseri, dem Zentrum der Pastırma-Produktion. Die Stadt ist bekannt für ihre Qualität, ihre Erfahrung – und für kleine Manufakturen, die seit Generationen nach denselben Rezepturen arbeiten.

Çemen – Die Aromahülle mit Charakter

Wer Pastırma einmal probiert hat, vergisst sie nicht so schnell. Nicht wegen des Fleisches, sondern wegen der Würzkruste. Die çemen ist mehr als ein Schutzmantel – sie ist Geschmacksträger, Konservierungsmittel und Markenzeichen zugleich. Ihre Zusammensetzung variiert leicht von Hersteller zu Hersteller, aber Bockshornklee, Knoblauch und Paprika sind Pflichtbestandteile.

Die Paste wird dick aufgetragen und muss mehrere Tage lang aushärten. Dabei zieht sie teilweise ins Fleisch ein, bleibt aber auch außen spürbar. Das Resultat ist ein kräftiger, leicht scharfer Geruch, der beim Schneiden intensiver wird. Für sensible Nasen zu viel, für Liebhaber genau richtig.

Geschmacklich ist Pastırma konzentriert, salzig, aromatisch – und sehr ergiebig. Ein paar dünne Scheiben reichen, um eine Mahlzeit zu veredeln. Ob in Rührei, auf Fladenbrot, zu Bohnen oder in Butter angebraten – die Verwendungsmöglichkeiten sind vielseitig. Pastırma bringt nicht einfach nur Geschmack ins Gericht. Sie bestimmt ihn mit.

Keine Wurst, kein Schinken, kein Snack

Pastırma wird oft mit anderen Fleischprodukten verglichen – mit italienischer Bresaola, spanischer Cecina oder jüdisch-amerikanischem Pastrami. Gemeinsam ist ihnen die Konservierung durch Trocknung oder Pökeln. Doch in Herstellung und Textur gibt es klare Unterschiede. Während Pastrami geräuchert und gekocht wird, bleibt Pastırma roh, gepresst und luftgetrocknet. Keine Rauchkammer, kein Dampf – nur Salz, Luft und Geduld.

Die Struktur ist daher fester, das Aroma direkter. Beim Schneiden sollte man auf hauchdünne Scheiben achten. Zu dick geschnitten wird die Würzschicht dominant, das Verhältnis stimmt nicht mehr. Eine gute Pastırma lässt sich fast durchsehen, ohne dabei ihre Textur zu verlieren.

Verkauft wird sie meist vakuumverpackt – in türkischen Feinkostläden oder direkt aus Kayseri. Aufgeschnitten sollte sie im Kühlschrank gelagert und innerhalb weniger Tage verbraucht werden. Die Lagerung funktioniert am besten in Butterbrotpapier oder Wachspapier – Plastik beschleunigt die Feuchtigkeitsbildung, was der Çemen schadet.

Ein Produkt für Kenner

Pastırma ist kein Massenprodukt. Sie ist weder Snackartikel noch Frühstückswurst. Wer sie verwendet, sollte wissen, was er tut – nicht aus Respekt, sondern weil sie durch ihr Aroma jedes Gericht stark beeinflusst. Gleichzeitig ist sie eines der wenigen Fleischprodukte, die mit nur wenigen Zutaten auskommen – keine Zusatzstoffe, keine Konservierungsmittel, kein Rauch. Nur Fleisch, Salz, Luft, Gewürz. Und Zeit.

Wer neugierig ist, sollte sich an Pastırma herantasten wie an einen starken Käse: in kleinen Portionen, mit Respekt vor dem Aroma – und mit gutem Brot oder Ei als Begleitung. Für manche bleibt es eine regionale Spezialität. Für andere ist sie aus der Küche nicht mehr wegzudenken.