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Zum Kotzen: Das Internet liebt Extreme – und so wurden und werden grässliche Figuren wie Salt Bae zu "Stars"

Nusr-Et: Es gibt Menschen, die sind dir auf Anhieb unsympathisch

Es gibt Menschen, die sind dir auf Anhieb unsympathisch. Sie scheinen einfach nicht dafür gemacht, in der Öffentlichkeit Erfolg zu haben. Dennoch drängen sich Gestalten wie Horst Seehofer, Donald Trump und Salt Bae durch unseren Alltag im Netz. Diese Figuren faszinieren auf den ersten Blick nicht durch Talent oder Qualität, sondern durch Selbstinszenierung, Lautstärke und Drama. Sie wissen, wie man Aufmerksamkeit erzeugt, selbst wenn sie dabei grotesk oder peinlich wirken. Millionen Follower, Klicks und Likes transformieren ihr öffentliches Auftreten zu einem scheinbaren Erfolg – während viele Betrachter sofort erkennen, dass Substanz fehlt. Die digitale Bühne macht es möglich, dass unsympathische Charaktere kurzzeitig gefeiert werden, obwohl sie für echte Leistungen kaum Anerkennung verdienen. Gleichzeitig zeigt sich, wie sehr unsere Gesellschaft nach Sensation, Glamour und Absurdität giert, oft ohne zu hinterfragen, warum gerade diese Menschen im Rampenlicht stehen.

Da sitzt man als normaler Restaurantgast vor einem ehrlichen Teller Pasta, vielleicht mit einem Glas Hauswein, und schaut in sein Handy: ein Video geht viral. Ein Mann mit gegeltem Pferdeschwanz, Sonnenbrille im Halbdunkel, lässt Salz über seinen Unterarm auf ein Steak rieseln. Für viele Betrachter wirkt das dumm, doch die verschrobene Welt tobt. Millionen klicken, teilen, lachen – und bezahlen später Unsummen, nur um das Ritual (Was ein Ritual wirst du dich fragen) einmal live zu sehen. „Salt Bae“ nennen sie ihn. Otto Normalverbraucher erkennt sofort: Das kann absurd oder peinlich wirken. Und doch feiert ihn die Szene, die ihn umwirbt, als wäre er der Messias der Fleischkultur. In vielen Augen ist er ein kurzweiliger Spaß, der Aufmerksamkeit auf sich zieht – eine Form von Inszenierung, die zwischen Stars und Fußballspielern wirkt, wie eine Art sozialer Schmarotzerei. Ein Kuhfladen in einem Teller, hübsch fallengelassen, wäre in dieser Welt sicherlich eine ähnliche Attraktionen.

Aufstieg durch Inszenierung – ohne fundierte Ausbildung

Nusret Gökçe, Sohn eines kurdischen Bergarbeiters, brach früh die Schule ab, wurde Metzgerlehrling, lernte in Argentinien. Sein Werdegang klingt zunächst nach klassischem Tellerwäscher-Aufstieg. Doch während andere in ihrem Handwerk Exzellenz entwickeln, setzte Gökçe früh auf Show. 2017 machte das Salz-Meme ihn zum globalen Internetstar. Goldsteaks für 1.500 Dollar, theatralisch serviert, waren weniger kulinarisches Erlebnis als ein inszeniertes Spektakel.

Psychologen bezeichnen diese Entwicklung als „Acquired Situational Narcissism“: Plötzlicher Ruhm, gespeist von Millionen Klicks und Aufmerksamkeit, kann das Ego stark aufblähen. Salt Bae ist kein Genie, sondern ein Schauspieler, der mit seiner Inszenierung ein Publikum anspricht, das Glamour und Exzess sucht. Otto Normalverbraucher erkennt oft: Hier geht es nicht primär um Qualität oder Talent, sondern um Selbstinszenierung.

Die Mechanismen hinter seinem Erfolg sind einfach: Narzisstische Persönlichkeiten posten exzessiv, inszenieren sich und werden von Social Media belohnt. Likes und Shares verstärken die Aufmerksamkeit und erzwingen weitere Aktionen. Menschen folgen nicht unbedingt wegen Qualität, sondern wegen Drama und Übertreibung. Genau diese Dynamik machte aus einem Metzgerlehrling einen Internetstar. Fleischqualität, Service, Gastronomiekultur – alles kann dabei zweitrangig sein.

Wenn Bildung fehlt, übernimmt die Show die Kontrolle

Salt Baes Fall zeigt, wie gefährlich diese Kombination aus fehlender formaler Bildung, Selbstüberschätzung und digitaler Verstärkung sein kann. Er hatte nur fünf Jahre Schule, erlernte Fleischhandwerk, beherrschte kaum Fremdsprachen, doch kommunizierte über seine Inszenierung. Er verstand, die Gier nach Extravaganz auszunutzen und sie für seine eigenen Inszenierungen zu instrumentalisieren.

Im August 2021 reichten mehrere Mitarbeiter Klage gegen ihn ein. Sie wurden aus der Türkei angeworben, unter falschen Versprechungen, sollten Führungspositionen übernehmen, wurden aber in der Praxis stark belastet: Sie arbeiteten siebzig Stunden oder mehr, erhielten keine Überstunden, erledigten Müll, Geschirr, Sicherheitsdienste, alles unter Aufsicht Gökces. Schon 2019 hatte er Abfindungen zahlen müssen, nachdem Mitarbeiter sich über Trinkgelder beschwert hatten. Ehemalige Mitarbeiter berichteten von autoritärer Führung und Ignoranz gegenüber Gesetzen – eine Unternehmenspraxis, die Aufmerksamkeit und Kritik auf sich zog.

Die Kombination aus Narzissmus, fehlender Ausbildung und digitaler Bühne zeigt, wie Menschen ohne kritische Distanz leicht beeinflusst werden. Gold auf Fleisch, theatrale Inszenierung – für Außenstehende kann dies wie ein Mangel an Substanz wirken.

Die Gesellschaft, die ihn feiert, ist verletzlich

Der Erfolg von Figuren wie Salt Bae hängt direkt von der Gesellschaft ab, die sie hochjubelt. Menschen, die Bildung und kritisches Denken vermissen lassen, werden durch Sensationslust und Glamour leichter beeinflussbar. Ähnliche Mechanismen lassen sich bei anderen Influencern, politischen Figuren oder Extremszenen beobachten: Auffällige und provokative Auftritte erzeugen Aufmerksamkeit, die viele kritische Reflexion übertrumpft.

Psychologen warnen seit Jahren: Narzissmus ist gesellschaftlich verstärkt worden, Social Media verstärkt ihn. Algorithmen, Likes und Aufmerksamkeit begünstigen Extremes. Figuren wie Salt Bae nutzen die Leere, den Neid und die Unwissenheit vieler Menschen, um Reichweite zu erzielen – ohne dass Talent oder Substanz zwingend notwendig sind.

Für Gastronomie und Gesellschaft gilt

Ehrliche Wirte kämpfen um Qualität und Nähe, während Inszenierungen wie die von Salt Bae Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Heute schließen Lokale in New York, Dallas und Las Vegas. Promis bleiben weg, Prozesse und Skandale häufen sich. Salt Bae steht ohne Publikum da. Der Mann, der sich aus bescheidenen Verhältnissen ins Rampenlicht inszenierte, erlebt einen Rückgang seines Erfolgs – ein Hinweis darauf, wie schnell Aufmerksamkeit ohne Substanz versiegt.

Qualität überlebt, Inszenierung nicht. Echtes Handwerk, ehrlicher Genuss, menschliche Nähe – das ist, was zählt. Goldblättchen vergehen, Respekt vor dem Produkt bleibt. Salt Bae ist ein Beispiel dafür, wie eine fehlende Ausbildung und die Ausnutzung einer empfänglichen Gesellschaft kurzfristigen Ruhm erzeugen kann – und wie deutlich wird, dass nachhaltiger Erfolg auf Substanz basiert.