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The ugly German – Friedrich hier, Donald dort

Er sitzt da, wie festgefroren. Schultern kantig, Stirn gefurcht, der Mund irgendwo zwischen Belehrung und genervtem Dauerkommentar. Friedrich Merz hat sich längst selbst in ein Standbild verwandelt – das Standbild eines Mannes, der glaubt, Deutschland müsse wieder „klare Kante“ zeigen. Nur dass diese Kante zunehmend aussieht wie die stumpfe Kopie eines amerikanischen Desasters: Trump im Maßanzug, made in Brilon.

Seine Worte wirken wie aus einem anderen Jahrzehnt, seine Rhetorik wie aus einem anderen Land. Wenn Merz von „dem Problem im Stadtbild“ spricht, meint er Menschen. Wenn er von „Rückführungen“ redet, meint er Aussortieren. Und wenn er betont, man müsse „endlich wieder über Ordnung reden“, klingt das wie ein Echo aus einer politischen Zeit, die wir eigentlich überwunden glaubten. Doch er wiederholt es, lächelnd, bestimmt, so als sei es reine Vernunft. Dabei ist es kalkulierter Tabubruch – und er weiß genau, dass er damit Schlagzeilen produziert.

Vom Wirtschaftsliberalen zum Wutbürger-Versteher

Es war einmal der Mann der Märkte, der CDU-Wirtschaftsflügel, der transatlantische Netzwerker. Heute wirkt Merz wie jemand, der sich selbst beim Versuch zusieht, Volksnähe zu simulieren. Er redet von „normalen Leuten“ und „denen, die morgens aufstehen und arbeiten“, als hätte er jemals einen Bus zur Frühschicht genommen.

Sein Image – einst kühl, rational, wirtschaftlich versiert – ist aufgeweicht in den Lauge populistischer Pointen. Die CDU unter Merz hat kein Migrationskonzept, sie hat ein Sprachproblem. Statt zu führen, reagiert er. Statt zu gestalten, provoziert er. Und genau das macht ihn gefährlich: Er ist nicht bloß eine Fehlbesetzung, er ist ein Verstärker.

Denn jedes Mal, wenn Merz in Talkshows auftaucht und einen Satz wie „Die Ampel verliert die Kontrolle“ fallen lässt, zuckt irgendwo in Ostdeutschland ein AfD-Plakatierer zufrieden. Der CDU-Vorsitzende ist längst Teil der Soundkulisse geworden, die er vorgibt, bekämpfen zu wollen.

Der deutsche Trumpismus: Ohne Charisma, aber mit denselben dummen Reflexen

In den USA haben wir gesehen, wohin das führt: Polarisierung, Enthemmung, politische Gewalt. In Deutschland ist der Prozess leiser, aber nicht minder gefährlich. Merz muss niemanden anbrüllen, um Spaltung zu betreiben. Es reicht, dass er sie rhetorisch normalisiert.

Er ist der höfliche Populist. Der, der im Sakko den Ton der AfD übernimmt, um ihr das Wasser abzugraben – und dabei vergisst, dass er genau diesen Ton salonfähig macht.

„Stadtbild“, „Sozialtourismus“, „kleine Paschas“ – jedes dieser Worte war kalkuliert, jedes diente dazu, Grenzen zu testen. Und jedes hat sie ein Stück weiter verschoben. Wer Merz heute zuhört, hört keine konservative Politik, sondern ein Rebranding des Ressentiments.

Wie in der ZDF-Sendung Die Anstalt analysiert, zeigt sich Merz’ Strategie klar: er reproduziert populistische Narrative, normalisiert sie und tut so, als sei alles „bürgerlich-nüchtern“. Die Sendung dokumentiert exemplarisch, wie politische Kommunikation auf subtile Weise Angst schürt, die Sprache verschiebt und gesellschaftliche Spaltungen verfestigt. Wer den Unterschied zwischen sachlicher Politik und rhetorischem Brandbeschleuniger nicht erkennt, unterschätzt die Dynamik: die Verschiebung nach rechts ist in vollem Gange.

Das Tragische: Er glaubt womöglich, er tue das Richtige. Dass man mit „klarem Sprechen“ endlich die schweigende Mehrheit zurückgewinnt. Tatsächlich stärkt er damit jene, die von „Systemparteien“ und „Meinungsdiktatur“ reden – also genau die Kräfte, die die Demokratie schwächen wollen.

Ein Land, das müde wird vom Theater der Eitelkeit

In jeder Umfrage verliert Merz an Beliebtheit. In jeder Rede wirkt er angespannter, härter, selbstgerechter. Und während er sich in Interviews über „politische Korrektheit“ echauffiert, werden ihm die eigenen Worte zur Falle.

Deutschland braucht keinen Chefankläger, sondern jemanden, der führen kann, ohne zu spalten. Doch Merz steht für das Gegenteil. Seine CDU wirkt wie ein Parteitag alter Männer, die auf die Welt von gestern zeigen und „Ordnung!“ rufen, während draußen längst eine andere Gesellschaft lebt.

Seine Strategie ist durchschaubar: Härte zeigen, um Stärke zu signalisieren. Aber Härte ist keine Haltung. Und Härte ersetzt keine Vision. Wenn Merz über Integration redet, geht es nie um Chancen, immer um Kontrolle. Wenn er über Wirtschaft spricht, klingt es nach 1995. Wenn er über Werte redet, riecht es nach Angst.

Und so bleibt am Ende das Bild, das wir alle kennen: das Standbild im Fernsehen. Ein Mann, der redet, als würde er noch um die CDU der Kohl-Ära kämpfen. Dabei kämpft er längst gegen den Zeitgeist – und verliert gegen ihn.

Die Demokratie hat kein Luxusproblem – sie hat ein Sprachproblem

Der gefährlichste Satz dieser Zeit lautet: „Man wird ja wohl noch sagen dürfen.“
Merz benutzt ihn nicht direkt – aber er lebt ihn. Er setzt sich vor die Kamera, ruft nach „Mut zur Wahrheit“ und meint damit: Mut zur Spaltung. Damit wird er zum Symptom eines größeren Problems: der schleichenden Erosion demokratischer Kultur durch jene, die glauben, sie würden sie retten.

Und genau hier liegt der Unterschied zu den USA: Wir sind noch nicht verloren. Noch können Medien, Zivilgesellschaft, Kunst und Politik gemeinsam gegenhalten. Noch kann man Namen nennen, Kritik üben, Haltung zeigen. Noch ist das Standbild nicht in Stein gemeißelt.

Aber eines ist sicher: Wenn Friedrich Merz weiter das Gesicht der CDU bleibt, wird diese Partei kein Bollwerk gegen Populismus mehr sein, sondern sein Beschleuniger.