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Von der Wut zur Marke – wie alles begann

Tony’s Chocolonely: GEMEINSAM BEENDEN WIR AUSBEUTUNG IM KAKAOANBAU

„Unsere Vision ist es, Schokolade zu 100 % sklavenfrei zu machen.
Nicht nur unsere Schokolade, sondern alle Schokoladen – weltweit.“
— Tony’s Chocolonely

Bitter trifft süß – Hamburg bekommt ein Gewissen

Wexstraße 42, Hamburg-Neustadt. Wo sonst Duft von Espresso und Croissants durch die Straße zieht, leuchtet plötzlich ein rotes Banner: „Wir ziehen blank.“ Kein PR-Gag, sondern ein Bekenntnis. Hier eröffnet Tony’s Chocolonely für drei Tage einen sogenannten „Peep-up-Store“ – eine Mischung aus Kunstraum, Labor und Aufklärungszentrale.

Vom 23. bis 25. Oktober gibt’s in der Neustadt nicht nur kostenlose Schokolade, sondern auch Fakten über Kinderarbeit, Dumpingpreise und Verantwortung im Kakao-Geschäft. Hamburg, Stadt der Food-Trends, erlebt für ein Wochenende, dass Genuss auch unbequem sein darf.

Drinnen duftet es nach Kakao, Zucker, Vanille. Zwischen farbigen Tafeln hängen Fragen: „Wer zahlt den wahren Preis?“ – „Wie viel Armut steckt in einer Süßigkeit?“ Ein Bildschirm zeigt Stimmen von Kakaobauern aus Ghana, daneben probieren Besucher:innen „Milk Caramel Sea Salt“. Der Kontrast wirkt – süß und bitter zugleich.

Tony’s nennt das „Aufklärung mit Geschmack“. Man darf genießen, soll aber nachdenken. Kein Schoko-Paradies, eher ein Schoko-Statement.

Die Marke mit der Mission

Tony’s Chocolonely entstand nicht in einem Marketingbüro, sondern aus Wut. 2005 gründete der niederländische Journalist Teun van de Keuken die Marke, nachdem er über Kinderarbeit in der Kakaoindustrie berichtet hatte. Weil ihn niemand ernst nahm, zog er sich selbst symbolisch vor Gericht – wegen „Mittäterschaft durch Konsum“. Aus dem Skandal wurde eine Bewegung.

Der Name erzählt die Geschichte: „Tony“, sein Spitzname, und „Chocolonely“ – allein im Kampf für faire Schokolade. Heute ist daraus ein internationales Unternehmen geworden, das in 25 Ländern verkauft – und dabei seinen Idealismus nicht abgelegt hat.

Das Markenzeichen: die ungleich geteilte Tafel. Kein Design-Gag, sondern Symbol für die Ungerechtigkeit der Branche. Tony’s will das sichtbar machen – in jeder Packung.

Das Ziel ist radikal klar: „100 % sklavenfreie Schokolade – für alle.“ Kein Siegel-Fetisch, keine halben Versprechen. Die Marke arbeitet nach fünf Prinzipien: Rückverfolgbarkeit, faire Bezahlung, langfristige Kooperationen, Stärkung der Farmer und keine Kinderarbeit.

Hamburg ist dafür kein Zufall. Hier sitzt der DACH-Hauptsitz, hier wird organisiert, vernetzt, diskutiert. Eine Stadt mit Bewusstsein für Food Culture – und mit Publikum, das lieber fragt als blind kauft.

Aufklärung, die schmeckt

Im Pop-up-Store wird die Philosophie greifbar. Knallige Farben, Projektionen aus Westafrika, interaktive Stationen. Besucher:innen können eigene Tafeln gestalten, sich durch Sorten probieren und erfahren, wo die Bohnen herkommen.

An einer Wand hängen Landkarten, an einer anderen Kinderzeichnungen von Farmerfamilien. Dazwischen QR-Codes, die zu echten Geschichten führen. Die Inszenierung bleibt leichtfüßig – bunt, charmant, aber mit Tiefe.

Das Team, erkennbar an neonfarbenen Shirts, erklärt geduldig, wie Tony’s Prämien zahlt, Schulbildung fördert und Lieferketten überprüft. Wer zuhört, merkt schnell: Hier geht’s nicht um Charity, sondern um Systemwechsel.

Es gibt Vorträge im Mini-Format, Diskussionen über Mindestpreise, Filmclips aus Ghana. Und immer wieder Schokolade. Der Moment, wenn jemand abbeißt und innehält, ist sinnbildlich: Genuss kann auch Erkenntnis auslösen.

Fairness mit Humor

Tony’s Chocolonely schafft das Kunststück, moralisch zu sein – ohne zu nerven. Die Marke redet über Kinderarbeit, ohne mit dem Finger zu zeigen. Statt Pathos gibt’s Augenzwinkern. Auf der Verpackung steht: „Crazy about chocolate, serious about people.“

Diese Leichtigkeit zieht. Sie öffnet Türen, wo viele Marken nur belehren. Tony’s bleibt fröhlich, farbig, fast verspielt – aber nie oberflächlich.

Auch geschmacklich hat der Pop-up einiges zu bieten: Klassiker wie „Milk Caramel Sea Salt“, herbere Sorten mit Mandeln und Meersalz oder limitierte Hamburg-Editionen mit würzigem Twist. Die Portionen sind klein, bewusst, fast meditativ. Wer probiert, bleibt stehen.

So entsteht ein Raum, in dem Genuss und Gewissen nebeneinander existieren dürfen. Kein Widerspruch, sondern ein neuer Standard.

Hamburg scheint auch "serious about people.“

Dass Tony’s Hamburg gewählt hat, ist mehr als Logistik. Die Stadt hat eine wache Food-Szene, die Ethik nicht für Trend hält. Hier diskutiert man über Lieferketten, besucht Zero-Waste-Bäckereien und bestellt Oat Milk, ohne zu posen.

Der Pop-up wirkt wie Katalysator. Cafés in der Umgebung verlinken das Event auf Instagram, Feinkostläden nehmen Tony’s ins Sortiment. Die Wexstraße wird für ein Wochenende zum Symbolort.

Und die Menschen reden. Über faire Preise. Über Verantwortung. Über Geschmack und Gerechtigkeit. Das ist vielleicht der größte Erfolg: Dass ein Stück Schokolade ein Gespräch auslöst.

Vom Pop-up zur Bewegung

Wenn am Freitag die Türen schließen, bleibt der Nachhall. Tony’s will keine Einmal-Aktion, sondern Bewusstsein schaffen. Deshalb lebt das Projekt digital weiter – mit Videos, Interviews, Aktionen.

Über die Plattform Tony’s Open Chain können auch andere Hersteller dieselben Standards übernehmen. Konkurrenz wird zur Kollaboration. Ziel: eine Industrie ohne Ausbeutung.

Tony’s hat damit etwas geschafft, das viele Konzerne nur behaupten: Haltung, die nicht aufhört, wenn die Kampagne vorbei ist.

Der leichte Geschmack von Veränderung

Abends, wenn die Straße ruhiger wird, hängt noch ein Hauch Kakao in der Luft. Menschen bleiben stehen, machen Fotos vom Banner, reden leise.

Tony’s Chocolonely hat Hamburg gezeigt, dass Schokolade mehr kann als süß sein. Sie kann Haltung haben. Und genau deshalb schmeckt sie vielleicht ein bisschen besser.


Tony’s Chocolonely Peep-up-Store „WIR ZIEHEN BLANK“
📍 Wexstraße 42, 20355 Hamburg
🗓 23.–25. Oktober 2025, täglich 11–19 Uhr
🎟 Eintritt frei

Mehr Infos: www.tonyschocolonely.com