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Döner, Likes und Politik – Söders Inszenierung zwischen Volksnähe und rechter Strategie

Döner, Likes und Politik – Söders Inszenierung zwischen Volksnähe und rechter Strategie

Als Markus Söder jüngst die Marke von 500.000 Instagram-Followern übersprang, ging es nicht um klassische Parteipolitik, weder um Tracht, noch um Wahlplakate oder festliche Reden im Bierzelt. Stattdessen teilte der bayerische Ministerpräsident ein Foto mit Döner. Was auf den ersten Blick beiläufig wirkt, wurde unter dem Hashtag **öderisst innerhalb von Stunden zu einem viralen Phänomen. Ein Regierungschef, der sich plötzlich wie ein Social-Media-Influencer inszeniert: lachend, essend, scheinbar unbeschwert. Harmlos und jugendnah? Nur vordergründig. Dahinter verbirgt sich eine hochgradig kalkulierte Inszenierung, die nicht nur auf Reichweite, sondern auf politische Wirkung zielt – und dabei nicht frei von problematischen Anleihen am Rechtspopulismus ist.


Populistische Sichtbarkeit: Politik als Snack

Das Muster ist eindeutig: Söder macht Politik visuell und konsumierbar, reduziert sie auf symbolträchtige, leicht verdauliche Bilder. Er zeigt sich mit Döner, mit Brokkoli, im T-Shirt oder beim Kochen. Diese Kulissen erzeugen Humor, Nähe und Nahbarkeit – und verschieben den Fokus. Nicht politische Programme stehen im Vordergrund, sondern der Mensch Söder, die „Marke Söder“.

Politische Komplexität wird so umgangen. Anstelle von Debatten über Energie, Migration oder soziale Ungleichheit dominiert Alltagsunterhaltung. Diese Verlagerung ist kein Zufall, sondern eine bekannte populistische Technik: Ablenkung durch Inszenierung. Wer lacht, teilt, liked, der diskutiert nicht.

Die Parallelen zu Donald Trump sind evident. Auch Trump nutzte Social Media als Bühne der Selbstvermarktung: emotional aufgeladen, faktenunscharf, auf die Person fokussiert statt auf Inhalte. Der Politiker tritt als Selbstdarsteller auf, der direkt mit dem Volk kommuniziert, die klassische Vermittlung durch journalistische Instanzen umgeht und die Agenda selbst bestimmt. Genau diese Strategie greift Söder auf.


Entertainment statt Politik – Medienstar Söder

Die Inszenierungen funktionieren nach dem Prinzip der Eventisierung. Ein „Döner-für-fünf-Fans“-Gewinnspiel erzeugt binnen Stunden Zehntausende Bewerbungen. Aus fünf Gewinnern werden vierzig, dazu T-Shirts und Selfies mit dem Ministerpräsidenten. Kalkül: maximale Reichweite, maximale Sympathiepunkte, maximale Jugendansprache.

Es handelt sich um eine Transformation des Politikers in eine Unterhaltungsfigur. Söder wird nicht mehr nur als Ministerpräsident wahrgenommen, sondern als „Star in eigener Show“. Doch diese Form der Politik birgt eine Gefahr: Sie entpolitisiert das Politische. Die Bühne dominiert die Botschaft, der Medienmoment frisst die Substanz.

Gleichzeitig entsteht damit eine unterschwellige Verschiebung: Unterhaltung überlagert politische Inhalte, Lifestyle überdeckt konfliktreiche Fragen. Wer die Show verfolgt, übersieht oft, dass unterschwellig konservative, teils rechtsaffine Codes mitschwingen.

Politische Strategie: Nähe zur AfD, ohne AfD zu sein

Söder inszeniert sich nicht im luftleeren Raum. Seine Strategie ist eingebettet in den Wettbewerb mit der AfD, die gerade in Bayern in bestimmten Milieus an Einfluss gewinnt. Die CSU versucht, Wählerschichten zurückzuholen, die von rechter Agitation angezogen werden.

Dabei setzt Söder auf eine doppelte Botschaft: Einerseits demonstriert er volksnahe Bodenständigkeit, die sich an traditionellen Symbolen orientiert – Tracht, Weißwurst, regionale Küche. Andererseits integriert er Lifestyle-Symbole, die jugendoptimiert wirken: Döner, Streetfood, Selfie-Ästhetik. Auf diese Weise entsteht ein ambivalentes Bild: tolerant und modern nach außen, aber unterschwellig anschlussfähig an national-konservative Diskurse.

So wird der Döner zum politischen Vehikel. Nicht als multikulturelles Symbol, sondern als kontrolliertes, inszeniertes Konsumobjekt: er gehört dazu, solange er in das bayerische Deutungsmuster passt. Hier zeigt sich ein Kernelement dieser Strategie: Integration durch Konsum – aber unter den Regeln des politischen Gastgebers.


Subtile Codes: Ethnizität, Exklusion, Identität

Die kritische Analyse offenbart ein Muster von Exklusion und selektiver Identität. Während Söder regionale Spezialitäten hervorhebt, erscheinen postmigrantische Lebensmittel zwar als Kulisse für Nähe, bleiben aber kulturell instrumentalisiert. Die Botschaft: Vielfalt ja – aber bitte kontrolliert und angepasst.

Damit transportiert die CSU subtil eine Abgrenzungslinie: das Eigene wird hochstilisiert, das Fremde dekorativ vereinnahmt. Das ist kein offener Rassismus, aber es sind Codes, die sich in identitätspolitische Diskurse nach rechts verschieben lassen. Söders Social-Media-Auftritt ist so Teil einer kulturellen Codierung, die Zugehörigkeit und Ausschluss immer wieder neu verschiebt.


Zielgruppe Jugend: zwischen Spaßkultur und Politiksozialisation

Die Hauptadressaten sind klar definiert: junge Social-Media-Nutzer zwischen 16 und 30 Jahren. Sie liken, teilen, speichern – und werden so zu unfreiwilligen Teilnehmenden einer politischen Erziehungsstrategie. Denn wer Söders Content konsumiert, wird nicht in erste Linie politisch informiert, sondern unterhalten – eingebettet in ein konservatives Narrativ.

In dieser Mechanik stecken bekannte psychologische Effekte: Identifikation („Er isst wie ich“), Sozialer Beweis („Alle teilen es“), Niedrigschwelligkeit („Es ist nur ein Gag“). Das Ergebnis: Politik als Meme-Kultur. Sie normalisiert konservative Symbole, verschiebt Werte subtil und immunisiert die Follower gegen eine differenzierte Auseinandersetzung.


Politik als Entertainment-Industrie

Damit tritt Söder in eine Entwicklung ein, die weit über Bayern hinausweist: die Transformation von Politik in unterhaltsame Social-Media-Formate. Längst kämpfen Parteien nicht mehr nur um Argumente, sondern um Klicks, Shares und Reichweite. Politik wird „snackbar“, konsumierbar, reduziert auf Bilder und Emotionen.

Das birgt gesellschaftliche Risiken. Zum einen geht Sachpolitik im Unterhaltungsmodus unter. Zum anderen gewöhnen sich Bürger an die trivialisierte Darstellung. Wer Politik nur noch als Spaß-Content wahrnimmt, verliert möglicherweise die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit ihren tatsächlichen Folgen.


Fazit: Die dünne Membran zwischen Humor und Manipulation

Markus Söder inszeniert sich erfolgreich als politischer Influencer. Zwischen Döner, Likes und Selfies wirkt er nahbar, jugendlich und witzig. Doch hinter der Fassade verschiebt sich die politische Kommunikation gefährlich: Populismus ersetzt Debatten, subtile Codes strukturieren Zugehörigkeit, rechtskonservative Muster werden normalisiert.

Dieses Social-Media-Spiel ist kein harmloser Spaß. Es ist ein Lehrstück darüber, wie Politik heute funktioniert: als Entertainment, als personalisierte Show, als strategische Manipulation auf der Meta-Ebene. Für junge Menschen bedeutet das eine Herausforderung: Sie müssen lernen, zwischen Unterhaltung und Ideologie zu unterscheiden, zwischen Snack und Substanz.

Söders Döner ist damit mehr als eine Mahlzeit auf Instagram. Er ist ein politisches Symbol für eine neue Phase der Parteienkommunikation, in der Likes und Lachen zum Werkzeug werden – und in der ernsthafte politische Fragen immer seltener durchdringen.


Bild-Quelle:
Instagram-Profil von Markus Söder, @markussoeder, Zugriff am 27.08.2025.